Die ersten 100 Meter Tunnel sind geschafft. Spätestens in zweieinhalb Jahren sollen bis zu 6000 Autos am Tag durch die künftige Verbindung der Bremerhavener Häfen mit der Autobahn A 27 rollen. Doch noch können neben den Bauarbeitern auch Besucher gefahrlos die künftige Fahrbahn betreten. Eine Gelegenheit, die sich 40 Mitglieder und Gäste des Presseklubs Bremerhaven-Unterweser nicht entgehen ließen: In zwei Gruppen nutzten sie die Chance, sich auf der größten Baustelle der Region umzusehen. Zum Abschluss der beiden Besichtigungstouren stiegen sie durchs neue Fluchttreppenhaus zwölf Meter in den bereits fertigen Röhrenabschnitt hinab.
Seit Mitte 2014 wird im Stadtnorden gebuddelt, gebaggert, betoniert – zwischen der Gaußstraße im Westen und dem Eichenweg im Osten. Nach jahrelanger Diskussion soll der Tunnel endlich dafür sorgen, dass die Überseehäfen kreuzungsfrei mit der Autobahn verbunden und die Anwohner rund um die Cherbourger Straße entlastet werden. Ein Riesenprojekt, für das Bund, Land Bremen, Stadt Bremerhaven und Hafenwirtschaft nach der ursprünglichen Planung gemeinsam rund 180 Millionen Euro locker machen.
Verkehrsplaner Gudehus: Wir haben 53 Varianten für die Hafenanbindung geprüft.
Dass dieser Kostenrahmen um einige Millionen überschritten wird, zeichnet sich bereits ebenso ab wie die Verlegung des Einweihungstermins vom Frühjahr auf den Herbst 2019. Derlei Probleme seien jedoch bei einem „so komplexen Großprojekt“ kaum zu vermeiden und nicht mit dem Fiasko beim Bau des Berliner Flughafens zu vergleichen, versicherte bei der Presseklub-Besichtigung der Verkehrsplaner Dr. Volker Gudehus. Im Auftrag der städtischen Wirtschaftsgesellschaft BIS führte der ehemalige Magistratsmitarbeiter die beiden Besuchergruppen, ausgerüstet mit Helm, Warnweste und Sicherheitsstiefeln, über die Baustelle.
Der Tunnel entsteht 200 Meter südlich der Cherbourger Straße in offener Bauweise, aufgeteilt in 23 einzelne Abschnitte („Baudocks“). Die Fahrzeuge sollen sich auf 1195 Metern durch die zweispurige Röhre mit Gegenverkehr bewegen, danach geht es am östlichen Ende (Höhe Bredenmoor) in zwei separaten Röhren mit Richtungsverkehr weiter.
In der abschließenden Diskussion im Projektbüro der BIS in Weddewarden machte Gudehus deutlich, dass die Millioneninvestition dringend notwendig sei. „Zum einen“, so der Baustellenführer, „braucht der Hafenverkehr eine leistungsfähige Anbindung an die Autobahn. Zum anderen muss aber die Bevölkerung in Leherheide und Speckenbüttel endlich entlastet werden, nachdem die Luftgrenzwerte bereits seit langem überschritten werden.“ Wegen der viel zu hohen Luftverschmutzung habe die Europäische Union seit fünf Jahren nur noch Ausnahmegenehmigungen für den Straßenverkehr erteilt.
Auch am Standort im Bremerhavener Norden sei kein Weg vorbeigegangen. Dabei habe sich die Stadt die Sache nicht leichtgemacht, wie der Verkehrsplaner betonte, der als einstiger Mitarbeiter des Stadtplanungsamts an der Entscheidungsfindung beteiligt war. Gudehus: „Wir haben 53 unterschiedliche Varianten geprüft, unter anderem auch die vieldiskutierte Nordumgehung über Langen.“ Die wäre zwar kostengünstiger geworden, hätte aber keinen „Verkehrswert“ gehabt. Soll heißen: Der Schwerlastverkehr hätte nicht verpflichtet werden können, auf der Fahrt in die Überseehäfen statt der Cherbourger Straße den elf Kilometer längeren Umweg über die Nordumgehung zu wählen.
Text und Fotos: Wilfried Moritz
Der Hafentunnel in Zahlen
Einschließlich der Ein- und Ausfahrtsrampen wird das Bauwerk eine Länge von 1848 Metern auf der Nord- und 1859 Metern auf der Südseite haben.Der laufende Verkehr soll in zweiBetriebsgebäuden an der westlichen Seite und in der Mitte des Tunnels überwacht werden.
Für den Tunnel müssen insgesamt rund 375.000 Kubikmeter Boden ausgehoben, 160.000 Kubikmeter Beton gegossen und 14.000 Tonnen Bewehrungsstahl verarbeitet werden.
Um die zwölf Meter tiefe Baugrube seitlich zu stützen, sind 80.000 Quadratmeter Schlitzwände nötig. Sie werden bis zu 20 Meter tief im Boden verankert und bestehen im Wesentlichen aus Stahlbeton.
Die 23 Baudocks sind 16 Meter breit und 52 bis 135 Meter lang. Jeder Abschnitt ist ein in sich geschlossenes System.
Die Röhren sind 4,50 Meter hoch und je Fahrbahn 3,50 Meter breit.
Wenn die jeweiligen Baudocks im Rohbau fertig sind, wird auf dem Boden die 0,75 Meter hohe Fahrbahn aufgetragen – mit einer Schwarzdecke statt Beton. Die Tunnelwände erhalten keine Kacheln, sondern einen feuerfesten Anstrich.
Für die gesamten Arbeiten sind täglich 200 bis 220 Beschäftigte der ausführenden Arbeitsgemeinschaft sowie der Stadt und der BIS im Einsatz – von Statikern, Planern und Polieren bis zu Baggerführern, Betonarbeitern und Stahlwerkern.