Norddeutschlands berühmteste Künstlerkolonie hat den Neustart geschafft: Nach einer existenzbedrohenden Krise kann Worpswede eine erfolgreiche Bilanz seines Strukturwandels ziehen. „Wir sind wieder für die Zukunft gerüstet“, versicherte Bürgermeister Stefan Schwenke beim Tagesausflug von mehr als 30 Besuchern des Presseklubs Bremerhaven-Unterweser. Rückläufige Besucherzahlen, Modernisierungsstau, Konzeptionslosigkeit und mangelnde Zusammenarbeit der Kunsteinrichtungen hatten die Gemeinde im Teufelsmoor seit der Jahrtausendwende in Existenznot gebracht.
Der Bürgermeister und Tourismuschef macht keinen Hehl daraus, dass das Malerdorf nach Jahren des Stillstands „am Rande des Abgrunds“ gestanden habe. Noch bei der 100-Jahr-Feier 1989 war Worpswede laut Schwenke ein „Selbstläufer“ mit bis zu 400.000 Besuchern jährlich. Doch danach ruhte es sich auf seinen Lorbeeren aus. Die Künstlerkolonie verließ sich zu sehr auf ihre Tradition, die mit glanzvollen Namen wie Fritz Mackensen und Otto Modersohn, Hans am Ende und Fritz Overbeck, Heinrich Vogeler und Paula Becker-Modersohn verbunden ist.
Zu lange hatten die vier Museen – Kunsthalle, Große Kunstschau, Barkenhoff und Haus im Schluh – allein vor sich hin gewerkelt. Die Folge, so der seit 2001 amtierende Bürgermeister: „2005 waren wir an einem Punkt angelangt, an dem wir uns zwar nicht neu erfinden, aber weiterentwickeln mussten.“ Immerhin hingen in Worpswede rund 500 Jobs vom Tourismus ab.
Wir haben die Kräfte gebündelt und Schwerpunkte gebildet
Den dringend notwendigen Wandel leitete der millionenschwere „Masterplan Worpswede“ ein, den die Gemeinde gemeinsam mit dem Landkreis Osterholz, dem Land Niedersachsen und der Europäischen Union (EU) auf den Weg brachte. Mit den Geldern aus den Fördertöpfen dieses Programms, alles in allem mehr als neun Millionen Euro, wurden Gebäude saniert und die Strukturen des Künstlerdorfs neu ausgerichtet. Schwenke: „Statt fünf Bilder von Heinrich Vogeler in mehreren Häusern zu zeigen, haben wir die Kräfte gebündelt und künstlerische Schwerpunkte gebildet.“ Die vier Museen wurden 2010 im Museumsverbund Worpswede zusammengeführt. Die neue Dachorganisation mit Geschäftsführer Matthias Jäger an der Spitze koordiniert die Ausstellungen, beschafft Fördermittel und steuert das Marketing.
Die Erfolge der neuen Strategie sind bereits sichtbar, wie Schwenke und Jäger im Gespräch mit dem stellvertretenden Presseklub-Vorsitzende Herbert Klonus-Taubert resümierten. Der Rückgang der Besucherzahlen, die sich bei 70.000 bis 80.000 jährlich eingependelt haben, konnte gestoppt werden. Allerdings überwiegend in den wärmeren Monaten. Denn Worpswede und das Teufelsmoor locken zwar von April bis Oktober ganze Busladungen mit Touristen an, doch im Winter herrscht mehr oder weniger Flaute. Die tote Jahreszeit will der Museumsverbund daher mit neuen Konzepten beleben, um nicht zu einem reinen Saisonbetrieb zu werden. Text und Fotos: Wilfried Moritz
Heinrich Vogelers Urenkelin führt durch Paulas Welt
Unendlich freier Himmel, geheimnisvolles Licht, leuchtende Wolken, weite Felder: An einem strahlend schönen Frühsommertag konnten die Mitglieder und Gäste des Presseklubs Bremerhaven-Unterweser bei ihrem Worpswede-Ausflug nachvollziehen, was die Maler einst am Dorf im Teufelsmoor faszinierte.
Verstärkt wurde dieser Eindruck während des Rundgangs in zwei Gruppen durch die kompetenten Informationen der beiden Gästeführerinnen. Eine von ihnen hat sogar ganz besondere Worpsweder Wurzeln: Bei Daniela Platz handelt es sich um die Urenkelin von Heinrich Vogeler.
Für junge Künstler war das Teufelsmoor gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein „Wunderland“, wie Paula Modersohn-Becker 1897 schwärmte. Eine Landschaft, die Maler aus den Großstädten magisch anzog. Im Sommer 1889 gründeten Fritz Mackensen, Hans am Ende und Otto Modersohn die Künstlerkolonie, zu der in den nächsten Jahren Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler stießen. Und schließlich auch malende Frauen. Allen voran Paula Becker, die 1901 Otto Modersohn heiratete und schon 1907, mit 31 Jahren, bei der Geburt ihres ersten Kindes starb.
110 Jahre nach dem frühen Tod von Paula Becker-Modersohn steht Worpswede ganz im Zeichen seiner berühmtesten Malerin. In der Kunsthalle läuft noch bis zum 10. September die Sonderschau „Paulas Welt“. Am Sonntag, 25. Juni, starten die beiden Ausstellungen „Paulas Worpswede“ – mit den Untertiteln „Eigentlich ist das ein Märchen…“ im Barkenhoff und „ … es ist ein Wunderland“ in der Großen Kunstschau.